Sofort nach der Geburt Jesu wechselt das Glaubensbekenntnis zu seiner Passion, d. h. zu seinem Leiden am Kreuz. Dieser plötzliche Übergang klingt, als wäre zwischen seiner Geburt und seinem Tod nichts geschehen. Der Wechsel erscheint besonders abrupt, wenn man beachtet, dass das Neue Testament und die frühe Kirche dem Leben Jesu große Bedeutung beimessen. Es ist nicht nur der Tod Jesu, der uns erlöst, sondern auch sein Leben im vollkommenen Gehorsam, das nötig war, um am Kreuz ein vollkommenes Opfer für die Sünden seines Volkes zu bringen. Dennoch geht das Glaubensbekenntnis sofort von seiner Geburt zu seinem Leiden über. Dabei sollten wir bedenken, dass das Leiden Christi für die frühe Kirche nichts Negatives, sondern Teil der Freude des Evangeliums war. Aus demselben Grund wird der Karfreitag, an dem wir der Kreuzigung Jesu gedenken, im Englischen Good Friday (dt. »Guter Freitag«) genannt. Einerseits ist es der dunkelste Tag der Weltgeschichte, andererseits ist es der Tag der Erlösung. In gewissem Sinne weist das Glaubensbekenntnis also auf etwas Erfreuliches hin, nämlich auf eine Verbindung zwischen Jesu Geburt und seinem Tod. Jesus wurde geboren, um zu sterben – nicht als tragischer Held und auch nicht als jemand, der sich mit der Unausweichlichkeit des Leidens abgefunden hat und desillusioniert umkommt. Vielmehr handelt es sich bei seinem Tod um seine Bestimmung für uns und zu unserer Erlösung.
Eine Erklärung für diese Formulierung ist, dass das Glaubensbekenntnis das Leiden Jesu damit eindeutig in die Weltgeschichte einordnet. Jesus war ein realer Mensch. Er lebte an einem bestimmten Ort, zu einer bestimmten Zeit und hatte mit echten Menschen zu tun. Indem das Glaubensbekenntnis Pilatus erwähnt, verankert es das Leben von Jesus in der Geschichte.
Eine andere Erklärung hat damit zu tun, dass Gott alle Ereignisse auf der Welt unter Kontrolle hat. Das Leiden und der Tod Jesu waren kein Zufall, sondern Teil von Gottes Plan für die Erlösung seines Volkes. Gott verwirklicht seine Ziele sogar durch die üblen Absichten böser Menschen. Durch diesen Hinweis auf Pontius Pilatus wird der Triumph von Gottes Souveränität über politische und alle anderen menschlichen Mächte angedeutet.
Der Apostel Paulus spricht im Galaterbrief ausführlich darüber, wie Jesus starb. Er macht darauf aufmerksam, dass es im Alten Testament Gesetze zur Reinigung und zur Verunreinigung gab, wobei diejenigen, die das Gesetz hielten, gesegnet, und diejenigen, die ein Gesetz brachen, verflucht waren. Verflucht zu sein bedeutete, dass man von der Gegenwart Gottes getrennt wurde. Paulus zitiert aus dem 5. Buch Mose im Alten Testament, wenn er schreibt: »Verflucht ist jeder, der am Holz hängt« (Gal 3,13; vgl. 5 Mose 21,23). Der Galaterbrief konzentriert sich auf die Tatsache, dass Jesus auf eine Art und Weise starb, die im Alten Testament unter dem Fluch stand. An einem Baum – d. h. an einem Kreuz – zu hängen und diese heidnische Form des Todes zu erleiden, bedeutete, dass Jesus den Fluch an unserer Stelle erlitt. Er wurde von der Gegenwart Gottes getrennt, außerhalb der Mauern von Jerusalem hingerichtet und den Heiden überlassen.
Die Aussage, Jesus ist »hinabgestiegen in das Reich des Todes«, hat im Laufe der Kirchengeschichte für einige Verwirrung gesorgt. Einige behaupten, dass damit der Ort gemeint ist, an dem sich der Geist Jesu während der Zeit zwischen Beerdigung und Auferstehung befand. Wir sollten diese Aussage jedoch besser als Ausdruck der geistigen Realität dessen verstehen, was Jesus am Kreuz erlebt hat. Das heißt, Jesus ging durch die Hölle des Kreuzes, als er dort die Strafe für die Sünden seines Volkes bezahlte. Am Kreuz hat Christus den Fluch erfahren: Dort wurde er vom Vater verlassen, und dort wurde das ganze Ausmaß des göttlichen Zorns über ihn ausgegossen.