Für den modernen Menschen scheint es nahezu unmöglich zu sein, das durchgängige Zeugnis der Bibel, dass Gott immer zu seiner eigenen Ehre handelt, freudig und dankbar zu akzeptieren. Ich muss mich korrigieren: Dieser Widerstand findet sich nicht nur beim modernen Menschen. Er ist allgemeinmenschlich. Und er ist vielschichtig.
Unser Widerstand gegen Gottes Selbsterhöhung
Das Phänomen der Selbsterhöhung ist uns Menschen einerseits wohlvertraut. Wir kennen es aus unserer persönlichen Erfahrung. Wir alle haben uns schon selbst erhöht. Wir alle haben eine angeborene Neigung, gelobt werden zu wollen. Wir stehen gern im Mittelpunkt. Andererseits – und dies ist fast ebenso verbreitet – mögen wir es nicht, wenn jemand so im Mittelpunkt steht (in unseren besten Momenten selbst dann nicht, wenn wir dieser Jemand sind). Wir haben eine Hass-Liebe-Beziehung zu dem Wunsch, groß dazustehen.
Was, wenn Gottes beständiges Handeln zu seiner eigenen Ehre nicht das Verhalten eines großspurigen Wichtigtuers wäre, hinter dem sich ein kleiner Junge mit Minderwertigkeitsgefühlen verbirgt?
Unser Widerstand gegen das durchgehende biblische Zeugnis von der Selbstverherrlichung Gottes wird noch dadurch verkompliziert, dass wir im Allgemeinen eine Vorliebe für Helden auf dem Bildschirm oder auf den Seiten eines Buches haben, die großtuerisch daherkommen und vor Selbstsicherheit nur so strotzen. Wir sind begeistert, wenn sie wieder einmal gegen eine zehnfache Übermacht gewonnen haben. Wir mögen ihr egoistisches »Ich bin der Größte«-Getue. Es ist irgendwie cool. Und weil Selbsterhöhung so cool ist, hat sie sich (mit all ihren kulturellen Mutationen im Laufe der Jahrzehnte) als tiefe Sehnsucht unseres Herzens und als etwas, das wir an unseren Helden bewundern, halten können. Sie ist sozusagen das positive Gegenstück zum Peinlich-Sein. Wir hassen es, als die Dummen dazustehen. Wir möchten gern die Smarten und Kompetenten sein. Eben das erwarten wir auch von unseren Helden, und wenn sie dabei noch so großspurig werden. Aber ganz so einfach ist es auch wieder nicht. Wenn diese großspurigen Helden nämlich anfangen, ihr Talent für ungerechte Dinge zu verwenden oder Unschuldige – oder Menschen, die uns lieb sind – zu verletzen, dann beginnt ihr Stern in unseren Augen zu sinken. Es dauert nicht lange, und dieselbe Cleverness und körperliche und verbale Schlagfertigkeit, die sie erst so cool erscheinen ließ, macht sie zum Bösewicht. Sie verlieren ihre Attraktivität, und ihr selbstsicheres Angebertum, das uns vorher so sympathisch war, stößt uns ab.
Aber was, wenn …?
Aber was, wenn Gottes beständiges Handeln zu seiner eigenen Ehre nicht das Verhalten eines großspurigen Wichtigtuers wäre, hinter dem sich ein kleiner Junge mit Minderwertigkeitsgefühlen verbirgt? Sondern eher das eines Fußballstars der Champions League, der mit seinem Porsche in ein Problemviertel fährt, weil er die Kids dort wirklich mag und ihnen den Traum erfüllen möchte, eine Stunde lang mit ihm zu kicken?
Was, wenn Gottes Hervorheben seiner Ehre nicht die Werbung eines Kurpfuschers wäre, der auf seinem Praxisschild behauptet, der beste Arzt aller Zeiten zu sein? Sondern die eines echten Therapeuten, der tatsächlich der Beste seines Fachs ist und der als Einziger ein Heilmittel gegen die verheerende Epidemie anbietet, die durch das Land geht?
Was, wenn wir schlussendlich die Entdeckung machen würden, dass die Schönheit Gottes jene Art von Schönheit ist, die dadurch zur Vollendung kommt, dass sie andere an sich teilhaben lässt?
Was, wenn Gottes Betonung, dass er der Höchste ist, nicht zu vergleichen ist mit einem karrierebeflissenen Dozenten an einer renommierten Kunsthochschule, der seine Vorlesungen anpreist, um den Hörsaal voll zu bekommen? Sondern mit einem absoluten Spitzenkünstler, der freiwillig an eine obskure Provinz-Uni geht und dort seine Vorlesungen kostenlos anbietet, damit auch mittellose Studenten die Geheimnisse seiner Kunst kennenlernen können?
Was, wenn Gott in den öffentlichen Erweisen seiner Macht nicht einem narzisstischen, ruhmsüchtigen General entspricht, der seine Soldaten zu Tausenden für den Sieg verheizt, während er in sicherer Entfernung zur Front zuschaut? Sondern einem wahrhaft großen General, der Sieg und Ruhm erringt, indem er an vorderster Front bereitwillig für seine Truppen, die er liebt, in den Tod geht?
Mit anderen Worten: Was, wenn wir schlussendlich die Entdeckung machen würden, dass die Schönheit Gottes jene Art von Schönheit ist, die dadurch zur Vollendung kommt, dass sie andere an sich teilhaben lässt?
Und was, wenn das, was wir für bloße »Selbstvermarktung« gehalten haben, in Wirklichkeit darauf abzielt, jedem, der sie haben will, die größtmögliche Freude zu schenken?
Das große Ziel des Wirkens Gottes
Wenn wir uns der Frage zuwenden, was das Endziel von Gottes Vorsehung ist, dann zeigt der biblische Befund, dass Gottes häufigstes und allumfassendes Ziel seine eigene Herrlichkeit ist – nämlich die Schönheit des vollen Panoramas seiner Vollkommenheiten [d.h. seiner Eigenschaften, von denen er jede einzelne in vollkommenem Maß besitzt]. Nach gründlichem Studium und Durchdenken der Bibel zu diesem Thema bin ich davon überzeugt, dass die Schlussfolgerung korrekt ist, zu der Jonathan Edwards in seiner Dissertation Concerning the End for Which God Created the World (deutsch etwa: »Abhandlung über den Zweck, zu welchem Gott die Welt erschuf«) kommt. Edwards’ Buch ist eines der wichtigsten und richtungweisendsten, die ich je gelesen habe. Mit einem Argument nach dem anderen und einer Bibelstelle nach der anderen entfaltet Edwards dort diese These:
»Und so sehen wir, dass das größte und letzte Ziel der Werke Gottes, das in der Bibel so vielfältig zum Ausdruck kommt, schlussendlich ein einziges ist, und dieses eine Ziel wird am korrektesten und umfassendsten »die Herrlichkeit Gottes« genannt; dies ist der Name, der ihm in der Heiligen Schrift am häufigsten gegeben wird.«
Mit anderen Worten: Wenn wir uns mit der Frage nach Gottes Ziel bei seinen Werken der Vorsehung beschäftigen, kommen wir nicht an der Tatsache vorbei, dass die Bibel uns wiederholt und durchgehend versichert, Gott vollbringe diese Werke zu seiner eigenen Ehre. Und wenn Edwards Recht hat mit dem, was wir gerade von ihm zitiert haben, dann bedeutet »zu seiner Ehre« nicht, dass Gott sich eine Ehre verschafft, die er noch nicht hatte. Sondern es bedeutet, dass er seine Ehre demonstriert, verteidigt und verkündigt, zur ewigen Freude seines Volkes – also all derer, die Gott seine Selbsterhöhung nicht verübeln, sondern ihn als ihren höchsten Schatz annehmen.