Psalm 84 wird als Lied von einem Einzelnen gesungen: von jemandem, der – wie immer in den Psalmen – durch den Geist Gottes und damit durch den Geist Christi redet. Er beginnt mit einem Ausruf: »Wie lieblich ...« (V. 2). Das Wort, das mit »lieblich« übersetzt wird, bezieht sich weniger auf die objektive Schönheit seines Gegenstands (obwohl er schön ist), sondern mehr auf seine Liebe dazu. Der Psalmist sagt also: »Wie sehr liebe ich deine Wohnungen, mein Gott! Es gibt keinen Ort, an dem ich lieber wäre.« Mit den »Wohnungen« ist die Stiftshütte und dann der Tempel des HERRN in Jerusalem gemeint. Das war der Ort, an dem der Herr der Heerscharen (»HERR Zebaoth«, der Bundesgott mit unvergleichlich großen Heeren) seine Gegenwart auf Erden kundtat.
Der lebendige Gott als Ziel unserer Sehnsucht
Vers 3 verstärkt den Ausdruck dieser Sehnsucht. Dieser Gläubige »verlangt und sehnt sich« nach diesem Ort. Seine »Seele« (sein inneres Wesen) und auch sein »Leib« (seine körperliche Existenz) »freuen sich« daran, weil man an diesem Ort den »lebendigen Gott« finden kann. Der lebendige Gott ist die Quelle allen Lebens, das wirklich Leben ist. Dieser Gläubige ist mit seiner ganzen Person voll und ganz auf den lebendigen Gott ausgerichtet, der sich zu jener Zeit im Tempel offenbarte. Seine Gefühle und seine Sehnsucht sind Gott zugewandt. Nichts an diesem Gläubigen erhofft sich aus irgendeiner anderen Quelle Leben oder irgendetwas sonst, das das Leben lebenswert macht.
Als er sich an die Vorhöfe des Tempels unter offenem Himmel erinnert, wandern seine Gedanken zu dem »Vogel« und der »Schwalbe«, die dort nisteten (V. 4a). Vielleicht ist damit die Überlegung verbunden, dass der »HERR Zebaoth« trotz all seiner unendlichen Macht und Größe auch für das kleinste Geschöpf sorgt. Jesus sagte später, dass ohne den Vater nicht einmal ein Sperling zur Erde fällt (vgl. Mt 10, 29). Das ist der Ort, an dem auch die Schwächsten und Verletzlichsten geliebt und versorgt werden. Welch ein »lieblicher« Ort! Dieser Gedanke war vielleicht ein Trost für jene, die ein Kind verloren hatten, sei es nach der Geburt oder im Mutterleib. Wie es ein Zuhause für den Sperling gibt, so gibt es ein Zuhause für dieses kleine Leben, denn das kleinste ungeborene Kind ist weit mehr wert als ein Sperling.
Die wahre Erfüllung in Christus
Der Verweis auf die »Altäre« (Ps 84, 4) erinnert uns daran, dass die Schönheit dieses Ortes paradoxerweise untrennbar mit der Darbringung blutiger Sündopfer verbunden war. Nur weil auf den Altären Opfer dargebracht wurden, erhielten sündige Menschen einen gewissen Zugang zum lebendigen Gott. Nur wegen der Altäre konnte dieser Gläubige Gott mit »mein König und mein Gott« (V. 4) ansprechen. Das Wort »mein« weist auf eine im Bund verankerte Loyalität hin. Schlussendlich sollte es einmal ein vollkommenes Opfer geben, das vom König selbst für sein Volk dargebracht wurde. Dieser große König war sowohl Priester als auch Opfer. In ihm gibt es die vollständige und endgültige Vergebung und den wahren Zugang zu Gott.
Vers 5 blickt sehnsüchtig zurück (und vielleicht auch in die Zukunft). Er spricht eine Seligpreisung aus – die erste von drei Seligpreisungen in diesem Psalm: »Wohl denen, die in deinem Hause wohnen« (nämlich im Tempel). Solche Menschen sind beständig von frohem und tief empfundenem Lobpreis erfüllt. All diese Sehnsüchte finden ihre Erfüllung in Jesus Christus, dem Einen, der größer als der Tempel ist (vgl. Mt 12, 6). Er ist das Opfer, das für Sünder auf dem Altar dargebracht wurde (vgl. Hebr 9, 28). Er ist der Ort, an dem Gott auf Erden wohnte (vgl. Joh 1, 14). Er ist der Eine, in dem Gott, der Vater, auf Erden von Sündern gefunden wird (vgl. Eph 2, 18). Er ist der Eine, in dem das Leben des lebendigen Gottes erschien (vgl. 1 Joh 1, 2). Heute ist die Gemeinde Jesu Christi durch seinen Geist der Tempel des lebendigen Gottes (vgl. 1 Kor 3, 16).
Sehnsucht nach der ewigen Heimat
Wenn wir Psalm 84, 2–5 aus der Perspektive der Erfüllung in Christus beten, bringen wir damit die Sehnsucht unserer Herzen zum Ausdruck und vertiefen sie zugleich. Es ist die gleiche Sehnsucht, mit der sich Jesu Herz nach seiner
Kein Wohnort dieses Zeitalters kann jedoch unser endgültiges Zuhause sein – egal, wie viele Erinnerungen damit verknüpft sind oder wie glücklich es auch sein mag. Die Sehnsucht eines Gläubigen sollte darauf gerichtet sein, endgültig nach Hause zu kommen, in dem Sinn, dass wir mit Jesus im neuen Jerusalem leben, welches der neue Himmel und die neue Erde ist. Wie sehr werden wir diesen wunderbaren Ort der Fürsorge, Sicherheit und Schönheit lieben!