R.C. Sproul

Über Freiheit, Souveränität und Heiligung

Über Freiheit, Souveränität und Heiligung

Am sichersten ist es, Freiheit so zu definieren, wie es die Kirchenväter taten, zum Beispiel Augustinus: »Der Mensch kann wählen, was er will.« Die Souveränität Gottes löscht diese Dimension der menschlichen Persönlichkeit nicht aus, aber sie herrscht definitiv über sie.

»Die Souveränität Gottes löscht diese Dimension der menschlichen Persönlichkeit nicht aus, aber sie herrscht definitiv über sie.«
Aus den starren Formen des Determinismus lässt sich ein Schrei der Verzweiflung hören: »Wenn die komplexen Faktoren, aus denen sich die Persönlichkeit zusammensetzt, meine Entscheidungen vollständig bestimmen, welchen Wert hat dann die Selbstverbesserung oder das Streben nach Rechtschaffenheit? Wenn mein Wille durch meine Veranlagungen und Begierden versklavt ist, welche Hoffnung habe ich dann, jemals aus den Sündenmustern auszubrechen, die meine momentane Verhaltensweise so zerstörerisch machen?«

Der Prozess der Heiligung beinhaltet tatsächlich eine radikale Neuprogrammierung des inneren Selbst. Wir sind keine Opfer blind waltender mechanischer Kräfte, die unser Schicksal bestimmen. Als intelligente Wesen können wir etwas tun, um unsere Herzensneigungen und Verstandeswünsche zu ändern.

Wir dürfen nicht vergessen, dass unsere Wünsche keine unveränderlichen, konstanten Seelenkräfte sind. Sie verändern sich und schwanken von Augenblick zu Augenblick. Wenn die Bibel uns auffordert, den neuen Menschen zu nähren und den alten Menschen auszuhungern, können wir dies tun, indem wir diese Stimmungsschwankungen nutzen: Wir stärken den neuen Menschen, wenn unser Verlangen nach Christus entflammt ist, und wir töten die Begierden des alten Menschen, indem wir ihn in Zeiten der Sättigung aushungern. Der Mechanismus der Sünde funktioniert ganz einfach: In dem Moment, in dem ich sündige, ist mein Verlangen nach der Sünde stärker als mein Wunsch, Gott zu gefallen. Oder anders ausgedrückt: Meine Liebe zur Sünde ist im Moment intensiven Verlangens größer als meine Liebe zum Gehorsam gegenüber Gott. Daher lautet die einfache Schlussfolgerung: Wenn wir die Macht der Sünde in uns überwinden wollen, müssen wir entweder unser Verlangen nach der Sünde verringern oder unser Verlangen, Gott zu gehorchen, verstärken.

Was können wir tun, um solche Veränderungen zu bewirken? Wir können uns einem intensiven Studium des göttlichen Gesetzes widmen. Solch ein diszipliniertes Studium kann dazu beitragen, unser Denken zu erneuern und uns ein ganz neues Verständnis darüber zu vermitteln, was Gott gefällt und was ihm missfällt. Ein erneuerter Geist ist die biblische Definition von geistlicher Transformation.

Wie Edwards feststellte, sind Geist und Wille miteinander verbunden. Wenn wir ein tieferes Verständnis dafür gewinnen, wie abscheulich unsere Sünde in Gottes Augen ist, kann dies unsere Einstellung zur Sünde ändern oder neu programmieren. Wir sollen die biblische Aufforderung befolgen, unsere Gedanken darauf zu richten, was rein und gut ist. Es wäre vermutlich zu viel verlangt, von einem Mann, der gerade von heftigen Lustgefühlen attackiert wird, zu erwarten, sich auf reine Gedanken zu besinnen. Es wäre zu schwer für ihn, sein Verlangen in diesem Moment auf Knopfdruck umzulenken. In Zeiten größerer Nüchternheit hat er jedoch die Möglichkeit, seinen Geist neu zu programmieren, indem er ihn mit hohen und heiligen Gedanken über die Dinge Gottes füllt. Im Endeffekt kann er damit die Neigung seines Herzens zu Gott stärken und das sündige Verlangen seiner gefallenen Natur schwächen.

Wir müssen uns keinem oberflächlichen, starren Determinismus oder Behaviorismus hingeben, der uns jede Hoffnung auf Veränderung nimmt. Die Heilige Schrift ermutigt uns vielmehr, unser Heil »mit Furcht und Zittern« zu schaffen – in dem Wissen, dass wir einerseits die Gnadenmittel kraft eigener Anstrengung nutzen, andererseits aber Gott selbst in uns wirkt, um die notwendigen Veränderungen herbeizuführen, damit wir dem Bild seines Sohnes gleichgestaltet werden (vgl. Phil 2,12–13; 1,6).

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